Leitlinien und Handreichungen
Leitlinien und Handreichungen geben Vorgaben und Empfehlungen für die Versorgung von Menschen mit Demenz. Auf dieser Seite wollen wir Ihnen diese zur Verfügung stellen.
S3-Leitlinie Demenz
Die S3-Leitlinie „Demenzen“ stellt umfassende evidenzbasierte Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie von Demenzerkrankungen zur Verfügung. Die Leitlinie wurde von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) herausgegeben.
Evidenzgrad S3
Die S3-Leitlinie repräsentiert den höchsten Evidenzgrad in der Klassifikation der medizinischen Leitlinien in Deutschland. Sie basiert auf einer systematischen Überprüfung der wissenschaftlichen Literatur und beinhaltet sowohl evidenzbasierte als auch konsensbasierte Empfehlungen. Die GRADE-Methodik wird verwendet, um die Qualität der Evidenz zu bewerten, die in „hoch“, „moderat“, „niedrig“ und „sehr niedrig“ eingestuft wird. Dies hilft bei der Entscheidungsfindung über die Stärke der Empfehlungen, die in stark oder schwach unterteilt sind.
Wichtige Punkte der Leitlinie
- Diagnostik: Die Leitlinie betont die Bedeutung einer gründlichen Diagnostik, die neben der klinischen Untersuchung auch neuropsychologische Tests und bildgebende Verfahren einschließt. Es wird empfohlen, strukturelle Bildgebung (z. B. MRT) zur Identifikation potenziell reversibler Ursachen einer Demenz durchzuführen.
- Therapie der Alzheimer-Demenz:
– Acetylcholinesterasehemmer: Diese werden zur Behandlung der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz empfohlen, da sie die kognitive Funktion und die Fähigkeit zur Verrichtung von Alltagsaktivitäten verbessern können.
– Memantin: Für die mittelschwere bis schwere Alzheimer-Demenz wird Memantin empfohlen, da es ebenfalls die Kognition und die Alltagsaktivitäten unterstützt. - Nicht-pharmakologische Interventionen:
– Kognitive Verfahren: Kognitives Training und kognitive Stimulation werden bei Personen mit leichter kognitiver Störung empfohlen, um die Kognition zu verbessern.
– Körperliche Aktivierung: Es wird davon ausgegangen, dass körperliche Aktivität von Menschen mit Demenz gewünscht wird und potenziell nützlich ist. - Technische Unterstützungssysteme: Der Einsatz technischer Unterstützungssysteme (z. B. Roboter, Sensoren) wird kritisch betrachtet, da die Evidenz für deren Wirksamkeit in der Behandlung psychischer und Verhaltenssymptome bei Demenz bisher nicht ausreichend ist.
- Geriatrisches Assessment: Regelmäßige geriatrische Assessments werden vorgeschlagen, um die Versorgung von Menschen mit Demenz kontinuierlich zu verbessern.
Konsensfindung
Die Empfehlungen wurden in einer strukturierten Konsensuskonferenz nach dem NIH-Typ erarbeitet, wobei alle beteiligten Fachgesellschaften eingebunden waren. Ein hoher Konsens war notwendig, um Empfehlungen zu verabschieden, was die Akzeptanz und Implementierung der Leitlinie in der Praxis stärkt.
Diese Leitlinie dient als wichtige Orientierungshilfe für alle, die in der Versorgung von Menschen mit Demenz tätig sind, und trägt zur Standardisierung und Verbesserung der Behandlungsqualität bei.
DGN e. V. & DGPPN e. V. (Hrsg.) S3-Leitlinie Demenzen, Version 4.0, 8.11.2023, verfügbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/038-013, Zugriff am 10.12.2023
Expertenstandard „Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“
Was versteht man unter Beziehungsgestaltung?
Beziehungsgestaltung bezieht sich auf den Aufbau und die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen, besonders wichtig für Menschen mit Demenz.
Diese Beziehungen bieten emotionale Stabilität und Zufriedenheit, indem sie das Wohlbefinden der Patienten durch soziale Interaktionen verbessern.
Warum ist Beziehungsgestaltung wichtig?
Menschen sind soziale Wesen, und dies gilt besonders für Menschen mit Demenz, die trotz kognitiver Beeinträchtigungen emotionale Beziehungen brauchen. Positive Beziehungen können Ängste lindern und die Lebensqualität steigern.
Zielsetzung des Expertenstandards
Der Standard fördert Akzeptanz, Vertrauen und Respekt in der Beziehungsgestaltung. Unterschiede zwischen Pflegekräften und Patienten sollen überwunden werden, um eine Gemeinschaft zu schaffen, in der sich Menschen mit Demenz akzeptiert fühlen.
Fünf Ebenen des Expertenstandards
- Situationseinschätzung: Positive Grundhaltung, individuelle Unterstützung.
- Planung: Bedürfnisse erkennen und Maßnahmen planen.
- Angehörige: Beratung und Einbeziehung.
- Umsetzung: Geplante Maßnahmen durchführen.
- Auswertung: Wohlbefinden beobachten und Maßnahmen anpassen.
Umsetzung des Expertenstandards
- Leichte Demenz: Selbstbestimmung und Aktivität fördern.
- Mittelschwere Demenz: Gestik und Mimik unterstützen, Tagesablauf anpassen.
- Schwere Demenz: Prophylaxen zur Vermeidung von Begleitrisiken, gezielte Sinnesanregungen anbieten.
Der Expertenstandard betont die Bedeutung von emotionalen Beziehungen zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Demenz und bietet Pflegekräften eine strukturierte Anleitung zur Umsetzung.
Expertenstandard „Erhaltung und Förderung der Mobilität in der Pflege"
Zielsetzung
Der Expertenstandard „Erhaltung und Förderung der Mobilität in der Pflege“ hat das Ziel, die Mobilität von pflegebedürftigen Menschen zu erhalten und zu fördern, um deren Selbstständigkeit, Lebensqualität und gesellschaftliche Teilhabe zu verbessern. Dies beinhaltet sowohl präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Mobilitätseinschränkungen als auch die Rehabilitation bestehender Einschränkungen.
Bedeutung der Mobilität
Mobilität ist eine grundlegende Voraussetzung für die Selbstständigkeit und Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen. Bewegungsmangel und Mobilitätseinbußen sind zentrale Risikofaktoren für schwerwiegende Gesundheitsprobleme und tragen maßgeblich zur Entstehung von Pflegebedürftigkeit bei. Maßnahmen zur Mobilitätserhaltung und -förderung können Gesundheitsprobleme wie Stürze, Dekubitus und Kontrakturen vorbeugen.
Kernaspekte des Standards
- Einschätzung der Mobilität:
– Pflegefachkräfte sollen die Mobilität systematisch einschätzen, um Mobilitätseinschränkungen und deren Ursachen zu identifizieren.
– Berücksichtigung von körperlichen, kognitiven und psychischen Faktoren sowie biografischen Aspekten und Umgebungsbedingungen.
– Regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Einschätzung bei Veränderungen. - Planung und Umsetzung von Maßnahmen:
– Individuelle Maßnahmen zur Mobilitätserhaltung und -förderung planen und in Abstimmung mit dem pflegebedürftigen Menschen und ggf. dessen Angehörigen durchführen.
– Maßnahmen können gezielte Einzel- und Gruppeninterventionen sowie die Integration mobilitätsfördernder Aspekte in den Pflegealltag umfassen. - Information, Beratung und Schulung:
– Pflegefachkräfte informieren und beraten pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige über die Bedeutung der Mobilität und unterstützen sie bei der Integration mobilitätsfördernder Maßnahmen in den Alltag. - Evaluation und Anpassung:
– Regelmäßige Überprüfung der Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit und Angemessenheit.
– Anpassung der Maßnahmenpläne auf Basis der Evaluierungsergebnisse und aktuellen Mobilitätseinschätzungen.
Implementierung und Anforderungen
- Die Implementierung des Standards erfordert eine strukturierte Vorgehensweise und geeignete Rahmenbedingungen.
- Fortbildungen und Schulungen für Pflegefachkräfte sind notwendig, um die erforderlichen Kompetenzen zu vertiefen.
- Kooperation und Abstimmung mit anderen Berufsgruppen (z. B. Physiotherapeuten, Ergotherapeuten) sind wichtig für die erfolgreiche Umsetzung der Maßnahmen.
Der Expertenstandard dient als Leitfaden für Pflegefachkräfte und Pflegeeinrichtungen, um eine bedarfsgerechte und wirksame Pflege zur Erhaltung und Förderung der Mobilität sicherzustellen. Durch die Integration mobilitätsfördernder Maßnahmen in den Pflegealltag soll die Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen nachhaltig verbessert werden.
Weitere Informationen zu diesem Expertenstandard finden Sie auf der Webseite der Geschäftsstelle Qualitätsausschuss Pflege.
Evidenzbasierte Praxisleitlinie: Vermeidung von freiheitseinschränkenden Maßnahmen in der beruflichen Altenpflege
Die Leitlinie zur Vermeidung von freiheitseinschränkenden Maßnahmen (FEM) in der beruflichen Altenpflege fokussiert sich auf verschiedene Interventionen und deren Wirksamkeit. Es werden sowohl personenzentrierte als auch umgebungsbezogene Ansätze beleuchtet. Ein zentrales Ziel ist die Reduktion von FEM durch alternative Pflegemethoden und -strategien.
Personenzentrierte Pflege
- Definition: Betont die individuelle Pflege und Anpassung an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Bewohner.
- Wirksamkeit: Studien zeigen keine signifikanten Effekte auf herausforderndes Verhalten im Vergleich zu Kontrollgruppen.
Biographieorientierte Pflege
- Definition: Nutzung der Lebensgeschichte des Bewohners zur Gestaltung der Pflege.
- Wirksamkeit: Drei Studien zeigen keine signifikanten Effekte auf herausforderndes Verhalten, was auf methodische Schwächen und kurze Nachbeobachtungszeiten zurückzuführen ist.
Umgebungsgestaltung
- Niedrigbetten: Minimieren die Verletzungsgefahr durch Stürze, zeigen jedoch keine signifikante Wirksamkeit zur Reduktion von FEM in Pflegeheimen.
- Spezielle Betreuungseinheiten: Können die Anwendung von FEM reduzieren und psychomotorische Verhaltensweisen positiv beeinflussen. Der Evidenzgrad ist jedoch gering.
Evidenzniveau
Das Evidenzniveau wird in der Leitlinie anhand des GRADE-Systems (Grading of Recommendations, Assessment, Development, and Evaluation) bewertet.
Die meisten evidenzbasierten Empfehlungen in der Leitlinie weisen ein niedriges bis sehr niedriges Evidenzniveau auf, was die Notwendigkeit weiterer hochwertiger Studien unterstreicht.
Die vollständige Leitlinie finden Sie hier.
Interdisziplinäre S2k-Leitlinie: Einwilligung von Menschen mit Demenz in medizinische Maßnahmen
Die Leitlinie zur „Einwilligung von Menschen mit Demenz in medizinische Maßnahmen“ zielt darauf ab, die Handlungsfähigkeit und Selbstbestimmung von Demenzkranken in medizinischen Entscheidungssituationen zu sichern. Die Leitlinie richtet sich an Ärzte, Psychologen, Pflegekräfte und andere im Gesundheitswesen tätige Personen und soll sicherstellen, dass die Autonomie der Patienten respektiert und gefördert wird.
Die Leitlinie bietet umfassende Empfehlungen zur Aufklärung, zur Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit und zur Assistenz bei Entscheidungen. Besondere Betonung wird auf die Gestaltung der Entscheidungskontexte gelegt, um die bestmögliche Partizipation der Patienten zu gewährleisten. Es wird zudem empfohlen, Vorausverfügungen zu erstellen, um zukünftige Entscheidungen zu erleichtern.
Auf die Vergabe von Evidenz- und Empfehlungsgraden wurde verzichtet, da keine systematische Evidenzaufbereitung vorliegt. Stattdessen wurde die Konsensstärke in Konsensuskonferenzen festgelegt, wobei starke Konsensempfehlungen (>90 % Zustimmung) besonders hervorgehoben werden.
Wichtige Aspekte der Leitlinie umfassen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen gemäß BGB, die Sicherstellung der Adäquatheit der Information und die kontinuierliche Überprüfung der Einwilligungsfähigkeit, angepasst an die individuelle Krankheitsentwicklung des Patienten.
Diese strukturierte Vorgehensweise soll dazu beitragen, ethisch fundierte und rechtlich sichere Entscheidungen zu treffen, die dem Wohl und den Präferenzen der betroffenen Personen gerecht werden.
Die Langfassung der Leitlinie finden Sie hier.